Der "Andorra-Effekt"
Im Urlaub fahre ich mit meiner Partnerin durch Frankreich. Während wir im Auto sitzen unterhalten wir uns über dies und das und irgendwie schleicht sich dieser kleine Staat in den Pyrenäen ins Gespräch. Wie hieß er nochmal? Der Name will uns trotz angestrengten Überlegens partout nicht einfallen. Na ja, war auch nicht so wichtig.
Die Sonne scheint, wir genießen unseren Urlaub und wenden uns schnell anderen Dingen zu. Vergiß doch dieses, dieses... Wie hieß das nochmal? Am nächsten Tag gondeln wir weiter durch die Gegend. Ich sitze hinter dem Steuer und denke an nichts Böses, als plötzlich gegen Mittag meine Partnerin aus heiterem Himmel sagt: "ANDORRA". Dabei guckt sie selbst ganz überrascht. Nach einer Sekunde der Überraschung fällt bei mir der Groschen. Ach ja, unser Gespräch von gestern.
Wat lernt uns das?
Sie kennen das vermutlich alle. Irgend ein Name ist Ihnen entfallen. Sie wissen nicht mehr, wo Sie den verdammten Schlüssel hingelegt haben. Sie kratzen sich am Schädel und überlegen - und es fällt Ihnen nicht ein. Sie beschäftigen sich schließlich mit irgendetwas ganz anderem und da, plötzlich, völlig unerwartet tritt der "Andorra-Effekt" ein und Ihr Gehirn spuckt die lange gesuchte Information aus. Ganz nebenbei, ohne Anstrengung, ohne Nachdenken. Ohne Nachdenken? Falsch! Ihr Gehirn hat gearbeitet, Sie haben es nur nicht gemerkt. Während Sie die Zähne geputzt, einen wichtigen Brief geschrieben, geschlafen oder die Tagesschau geguckt haben, hat sich Ihr Unterbewusstsein weiter mit dem noch offenen Thema beschäftigt, Ihren Speicher durchsucht, ist den zahllosen Verknüpfungen Ihrer Neuronen nachgegangen und ist schließlich fündig geworden.
Psychologische Experimente haben gezeigt, dass Leistungsfähigkeit unbewusster Prozesse in unserem Gehirn enorm groß ist. Das geht sogar so weit, dass sich häufig komplexe Probleme besser über intuitive Entscheidungen als über bewusstes Denken lösen lassen. Die Krux ist nur, dass wir - logisch wie wir angeblich sind (oder besser: wie wir glauben zu sein) - immer rationale Gründe suchen. Dummerweise funktioniert das aber nicht mit unserem Unterbewusstsein. Unbewusst ist eben unbewusst. Und was tun wir? Wir schieben einfach rationale Gründe nach. Wir verweigern unserem Bauchgefühl die Anerkennung und tun so, als ob wir eine intuitive, emotionale Entscheidung mit dem Kopf getroffen hätten. Schließlich erwarten unsere Vorgesetzten, unsere Arbeitskollegen, unsere Mitmenschen ganz allgemein, dass wir sagen können, warum und wie wir zu bestimmten Entscheidungen gekommen sind. Schließlich sind wir weder das Orakel von Delphi noch Schamanen irgendeines Naturvolks.
Im Falle des "verloren gegangenen" Kleinstaates oder Ihrer vermissten Autoschlüssel spielt das alles natürlich keine Rolle. Seien wir also dankbar dafür, dass es so ist, wie es ist und freuen uns, dass der Apparat in unserer Birne so tickt, wie er tickt und Ergebnisse liefert - manchmal.